Psychische Herausforderungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach der Pandemie

Die Gesundheitsstudie 2021 der CSS zeigt auf, was viele Berufsbildner:innen in ihrem Ausbildungsalltag bereits wahrgenommen haben. Die Corona-Pandemie hat Spuren im Gesundheitszustand der Lernenden hinterlassen.

Junge Frau schaut deprimiert aus dem Fenster .

Früherkennung hilft!

Laut einem Beitrag auf SRF sind im Coronajahr 2020 im Kinderspital Zürich mehr als doppelt so viele Suizidversuche als im Vorjahr 2019 verzeichnet worden. Gar drei Mal mehr psychosomatische Störungen wurden verzeichnet. Es zeigt sich, dass es vor allem zu einer deutlichen Zunahme von psychiatrischen und psychosomatischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen kommt. Krisen mit Anpassungsstörungen, Depressionen, Angststörungen Selbstverletzungen und Essstörungen sind die genannten Erkrankungen.

Laut Seco, leiden 10-20% Prozent aller Jugendlichen in der Schweiz unter einer psychischen Belastung.

In der Sotomo Studie vom Juli 2021 (Spezialauswertung des SRG-Corona-Monitors im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit BAG) rückt die Altersgruppe der jungen Erwachsenen in den Fokus. Die Altersgruppe der 20 – 25 Jährigen litt am meisten unter der Pandemie, gefolgt von den 15 – 19 Jährigen. Also diese Gruppe von Menschen, welche im Arbeitsleben Fussfassen möchte. Die wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Studie:

  • Jugendliche und junge Erwachsene fühlen sich eingeschränkt durch Massnahmen der Pandemie Bekämpfung
  • Junge Erwachsene mussten am stärksten ihre Pläne ins Wasser fallen lassen, Ziele verschieben, Träume aufgeben. Ihnen wurde die „Flügel“ gestutzt.
  • Das Sozialleben hat bei der Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen den grössten Schaden erlitten. Genau bei der Gruppe welche im Normalfall das am stärksten ausgeprägte Sozialleben hat.
  • „Hotel Mama“ rund 10% der jungen Generation sind entweder nicht ausgezogen, oder wieder zurückgekehrt, trotz anderslautenden Zielen und Bedürfnissen.
  • Die Angst vor Isolation und Einsamkeit, wird in der jungen Generation am meisten befürchtet. Die daraus resultierenden eingeschränkten Freiheiten und vermehrt private Konflikte sind eine Folge davon.
  • Sehr stark leiden alle unter 30-Jährigen den fehlenden Möglichkeiten die Welt zu entdecken. Dies sieht diese Altersgruppe als eine verlorene für immer nicht gemachte Erfahrung.

Die Lockerungen des Bundesrates Ende Frühling/Anfang Sommer 2021 wird unterdessen von der Angst der vierten Welle in der Corona-Pandemie bereits wieder überschattet und löst ein ungutes Gefühl bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus.

Die beschriebenen Herausforderungen finden gerade in einer Zeit statt, wo sie die ersten Schritte in die Arbeits- und Erwachsenenwelt gemacht werden.

Politisches Statement

Der Zürcher Regierungsrat hat ein Massnahmenpaket beschlossen um diesen Herausforderungen von jungen Menschen zu begegnen. Unter anderem wurden in der stationären Versorgung zusätzliche Psychiatrieplätze geschaffen und stationäre Angebote erweitert.

In der ambulanten Versorgung werden betroffene mit akuten Verläufen Prioritär behandelt. Im PUK (Psychiatrischen Universitätsklinik) und dem SPZ (Sozialpädriatisches Zentrum) des Kantonsspitals Winterthur werden in der ambulanten Behandlung zusätzliche Stellen geschaffen. Im geplanten Kriseninterventionszentrum für Jugendliche der PUK in Zürich werden in naher Zukunft auch ambulante und tagesklinische Intensivbehandlungen angeboten werden.

Was hat das mit der Berufsbildung zu tun?

Ein gutes Arbeitsumfeld, stabile Beziehungen und sichere Lernerfolge sind die wesentlichen Faktoren für einen erfolgreichen Berufseinstieg. Gemeinsam mit den Eltern und der Berufsschule stehen die Lehrbetriebe in einer besonderen Verantwortung. Sie bereiten die Lernenden nicht nur auf das zukünftige Berufsleben vor, sondern sie begleiten Jugendliche auf den Weg in das Erwachsenwerden.

Lernende mit psychischen Problemen zeigen vielfältige Auffälligkeiten, die für die Auszubildenden nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen sind. Erste Auffälligkeiten zeigen sich vielfach in den zwischenmenschlichen Kontakten, im Leistungsverhalten und in der Arbeit. Sehr oft kann man als Beobachtende/r nicht mal genau benennen, wo das Problem liegt. Vielmehr liegt eine Irritation vor.

Berufsbildungsverantwortliche dürfen keine Diagnosen stellen. Dies liegt nicht in Ihrer Kompetenz und es wäre anmassend und unprofessionell so zu handeln. Sie sind aber verpflichtet, ihre Lernenden zu schützen. Gemäss Arbeitsgesetz (Art.29 bis 32) und Obligationenrecht (Art 328) ist es Aufgabe der für die Lernende verantwortliche Person, die körperliche und psychische Gesundheit der Jugendlichen, die dem Betrieb zur beruflichen Ausbildung anvertraut sind, zu schützen. Angesprochen sind Sicherheitsaspekte, Unterstützung und Begleitung der Jugendlichen und nicht zuletzt auch die erzieherische Pflicht der für die Lernenden verantwortlichen Person.

Abgeleitet aus diesen arbeitsrechtlichen Grundsätzen steht die Früherkennung und Frühintervention im Zentrum des Handelns. Die Früherkennung und Frühintervention hat zum Ziel, ungünstige Entwicklungen und Rahmenbedingungen sowie problematische Verhaltensweisen von Personen frühzeitig wahrzunehmen, passende Hilfestellungen zu finden und die betroffenen Menschen in ihrer gesunden Entwicklung zu unterstützen.

Welche Frühwarnzeichen können ausgesendet werden:

  1. Abweichungen im Sozialverhalten: z.B. erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Kritik, Distanzlosigkeit, Rückzug, Misstrauen
  2. Abweichungen in der Arbeitsleistung: z.B. Leistungsschwankungen, Häufung von Fehlern, Konzentrationsschwierigkeiten
  3. Abweichungen in der Stimmungslage: z.B. leicht reizbar, aggressiv, traurig, unruhig, angespannt, resignativ
  4. Sonstige Auffälligkeiten: z.B. Klagen über Schlaflosigkeit, Vernachlässigung von Körperpflege, Selbstgespräche

In unserer täglichen Arbeit mit Berufsbildnerinnen und Berufsbildner stellen wir fest, dass viele von ihnen solche Irritationen wahrnehmen, sich jedoch unsicher fühlen psychische Auffälligkeiten anzusprechen. Insbesondere dann, wenn das beobachtete Problem noch keine grösseren Auswirkungen auf die Arbeitsleistungen hat.

Was kann getan werden?

Wichtig ist es die jungen Menschen in dieser Zeit zu begleiten. Veränderungen wie sie oben beschrieben wurden, sind wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Als Berufsbildner und Berufsbildnerin oder Bezugsperson von jungen Menschen ist es relevant dem Gegenüber urteilsfrei zuzuhören. Die Beobachtungen und Veränderungen sollen als Feedback wohlwollend an die betroffenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen zurückgemeldet werden. Dies soll in einem offenen aber auch geschützten Gesprächssetting stattfinden. Meistens ist dieser erste Schritt mit den meisten Vorbehalten seitens Gesprächsführer oder Gesprächsführerin besetzt. Mache ich nicht etwas falsch? Löst es genau das aus was ich nicht möchte? Und was wenn gar nichts ist?

Solche und ähnliche Fragen beschäftigen Berufsbildende und sonstige Betroffene.

Wir sagen: Nur nichts tun ist schlimmer! Wer in einem von Verständnis und Empathie geprägten Gespräch zuhört und seine Gedanken formulieren kann, zeigt Interesse und bringt diese Wertschätzung seinem Gegenüber entgegen. Ein solches Gespräch schafft die Möglichkeit, dem Gegenüber Informationen und Unterstützung anbieten zu können. Wichtig ist bei wahrnehmbaren Veränderungen sehr schnell professionelle Hilfe anzubieten und die Möglichkeit zu geben die Betroffenen auf diesem Weg zu begleiten. Berufsbildende sind aufgefordert nach den Ressourcen und Möglichkeiten die die Person selber mitbringt zu schauen und darauf zu achten wie diese aktiviert werden können.